Gerhard Weber, Gründer und langjähriger Vorsitzender der Deutsch-Russischen Gesellschaft in Hamburg, ist am 24.10. 2022 im Alter von 90 Jahren verstorben.
Im Folgenden ein Nachruf von unserem 2. Vorsitzenden Frieder Bachteler, der Gerhard Weber noch persönlich gekannt hat:
„1974 hat Gerhard die DRG Hamburg, damals noch Gesellschaft BRD-UdSSR bzw. Deutsch-Sowjetische Freundschaftsgesellschaft, gegründet. Das war, nicht einmal 30 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs und mitten im Kalten Krieg, keine Selbstverständlichkeit: Breschnew regierte in Moskau, Richard Nixon bzw. Gerald Ford in Washington, Willy Brandt wurde von einem DDR-Spitzel ausspioniert – die Voraussetzungen für deutsch-sowjetische Beziehungen auf persönlicher Ebene hätten besser sein können. Und Gerhards Einsatz war durchaus umstritten: War er für Hardliner von „drüben“ ein Spion des Bundesnachrichtendienstes, so trug ihm sein Engagement hierzulande den Namen „Moskau-Weber“ ein.
Aber Gerhard Weber ließ sich nicht beirren, reiste weiterhin nach Leningrad und anderswohin; immerhin war Leningrad seit 1957 offizielle Partnerstadt von Hamburg und es gab eine ganze Reihe offizieller Kontakte. Um offizielle ging es bei der Gründung der Gesellschaft aber gerade nicht: Die Menschen in Hamburg und Leningrad, Deutsche und RussInnen sollten sich persönlich kennenlernen, es sollten Beziehungen und Freundschaften unterhalb der Ebene der ideologisch verhärteten Positionen entstehen. Es kam auch ein Jugendaustausch zustande, für sich den sich Gerhard als Generalsekretär des CVJM ebenfalls engagierte.
Die Arbeit der Gesellschaft BRD-UdSSR und ihres Vorsitzenden trug Früchte, es entstanden Beziehungen zwischen den Menschen, Begegnungsreisen wurden organisiert, junge Menschen lernten das jeweils andere Land kennen. Dann kam zu Beginn der 90er Jahre die „Wende“, die allerdings für die meisten Bürgerinnen und Bürger der ehemaligen Sowjetunion, insbesondere für die der heutigen russischen Föderation, einen Absturz in materielles Elend bedeutete.
Es ist bestimmt die größte Leistung der DRG und Gerhards persönlich, dass in den Jahren ab 1990 über die Gesellschaft und unter anderem durch Gerhards Einsatz auf ganz unterschiedlichen Ebenen ein regelmäßiger Strom von Hilfe von Hamburg nach St. Petersburg floss. Es wurde eine Briefbrücke eingerichtet – die Briefe brachte Gerhard einmal pro Monat persönlich nach St. Petersburg, in großen Taschen, denn es waren viele; in der Summe transportierte er fast 30.000 Briefe hin und her.
Die Briefe schufen persönliche Kontakte, brachten aber auch konkrete Hilfe, denn sie enthielten oft Geld, das im Wesentlichen von Hamburger Spenderinnen und Spendern stammte. Unterstützerinnen in St. Petersburg sorgten dafür, dass jeder Brief seinen Empfänger oder seine Empfängerin erreichte. Mit dem gespendeten Geld wurden bedürftige Familien und Obdachlose, aber auch Künstler und Wissenschaftler unterstützt; darüber hinaus galt die Unterstützung einem Wohnheim für Straßenkinder, deren es nach der „Wende“ sehr viele gab, einer Tagesstätte für behinderte Kinder und auch der Schulspeisung in einem Dorf bei St. Petersburg. Der von der DRG in St. Petersburg gegründete Hamburger Club bot außerdem die Möglichkeit persönlicher Begegnungen von Aktiven vor Ort mit Besucherinnen und Besuchern der Stadt.
Die Reisen mit Briefen und finanziellen Mitteln hat Gerhard zwanzig Jahre lang regelmäßig unternommen. Er war jemand, der sich für Menschen interessierte mit ihnen umgehen und Kontakte knüpfen konnte, so dass er nicht nur in St. Petersburg unzählige Bekannte und Freunde hatte, sondern selbst den Grenzbeamten gut bekannt war. Erst im Alter von 79 Jahren stellte Gerhard diese regelmäßigen Reisen ein; schon vorher hatte er sich aus der praktischen Tätigkeit in der DRG zurückgezogen. Andere setzten die Arbeit mit gleichem Engagement fort.
Im Hamburger Rathaus hatte sich unterdessen der Blick auf den unermüdlichen Förderer der Beziehungen zwischen den Menschen in St. Petersburg und Hamburg verändert: Im Jahr 2003 wurde er vom Hamburger Senat mit dem Portugaleser in Silber ausgezeichnet.
Die Deutsch-Russische Gesellschaft Hamburg hat mit Gerhard Weber die prägende Gestalt ihrer Gründerjahre und einen engagierten Kämpfer für freundschaftliche Beziehungen zwischen den Menschen in Deutschland und Russland verloren – ein besonderer Verlust gerade in diesen Tagen.
Gerhards Angehörigen sprechen wir unser herzliches Beileid aus. Wir werden unsere Arbeit als DRG in seinem Sinne weiterführen und sein Andenken in Ehren halten.“
Bild: Gerhard Weber © privat
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