50 Jahre Deutsch-Russische Gesellschaft in Hamburg e. V.
Mitten in der Zeit der Ost-West-Blockkonfrontation ergriff der Gründer der DRG Hamburg, Gerhard Weber, die Initiative, die Menschen in der damaligen Sowjetunion, insbesondere die EinwohnerInnen der Hamburger Partnerstadt Leningrad, heute St. Petersburg, und EinwohnerInnen der Bundesrepublik bzw. Hamburgs in Kontakt und einander näher zu bringen. Seit 1957 verband ja St. Petersburg und Hamburg eine Städtepartnerschaft, und über die Kontakte auf offizieller Ebene hinaus wurden auch die Aktivitäten der DRG vom Hamburger Senat bzw. der Senatskanzlei stets begleitet und unterstützt.
Im Rückblick lassen sich mehrere Phasen der Begegnung und Kooperation zwischen Menschen in Hamburg und Leningrad/St. Petersburg beschreiben. In der Zeit der Sowjetunion, in der es der Mehrheit der SowjetbürgerInnen nicht möglich war, touristische Reisen ins westliche Ausland zu unternehmen, bot der direkte Kontakt über die damalige „Deutsch-Sowjetische Freundschaftsgesellschaft“ die Möglichkeit, Einladungen an LeningraderInnen auszusprechen, wobei diese dann in Hamburger Familien, nicht nur von DRG-Mitgliedern, untergebracht werden konnten. Auf diese Weise konnten zahllose Bekanntschaften und Freundschaften begründet und so das in der Satzung formulierte Ziel angestrebt werden, „Entwicklungen entgegenzutreten, welche die Verständigung zwischen beiden Ländern beeinträchtigen könnten“. Kultureller Austausch, Gruppenreisen, Schülerreisen und weitere Aktivitäten konnten im Übrigen organisiert werden über den CVJM-Reisedienst, dessen Geschäftsführer Gerhard Weber war.
Eine zweite Phase der Beziehungen ergab sich Anfang der 1990er Jahre, als nach der Auflösung der Sowjetunion und den damit verbundenen ökonomischen Turbulenzen viele Menschen in der ehemaligen Sowjetrepublik Russland in materielle Not gerieten. Über Jahre funktionierte eine direkte „Brücke“ Hamburg-St. Petersburg: Paketsendungen, Geldtransport, Unterstützung von sozialen Einrichtungen, die sich um Kinder und Obdachlose kümmerten, und andere Hilfsmaßnahmen. Gerhard Weber selbst reiste regelmäßig jeden Monat nach St. Petersburg und übergab Geldbeträge an eine Partnerorganisation, die wiederum Bedürftige unterstützte. Persönliche Kontakte konnten u. a. auch dadurch gefördert werden, dass in St. Petersburg ein „Hamburger Club“ eingerichtet und betrieben wurde.
Zu den Aktivitäten des “Hamburger Clubs” gehörten
- Förderung der Begegnung von Menschen aus Hamburg und St. Petersburg, etwa im Rahmen von kulturellen, politischen oder wissenschaftlichen Veranstaltungen,
- Koordination der Unterstützung von Sozialprojekten in St. Petersburg,
- Teilnahme an der vom Deutschen Generalkonsulat jährlich ausgerichteten Deutschen Woche,
- Förderung des gegenseitigen Verständnisses durch aktuelle Informationen über das jeweils andere Land
Seit die größten ökonomischen Verwerfungen der Nach-Wende-Jahre überwunden sind, ist es immer mehr BürgerInnen Russlands möglich, touristische Reisen auch ins westliche Ausland zu unternehmen. Auch die direkte materielle Unterstützung aus Hamburg konzentriert sich seither auf einzelne soziale Einrichtungen, zu denen seit Langem Beziehungen bestehen.
Zu den unterstützten sozialen Projekten gehörten:
- die Straßenkinder-Wohnheime „Nadežda“ und „Maša“,
- das Obdachlosenprojekt (Unterkunft und Mitternachtsbus) „Nočležka“,
- Rechtshilfe für Jugendliche „Komm und hilf“
Entgegen den Erwartungen haben sich allerdings in den politischen Beziehungen zwischen Russland und Deutschland bzw. „dem Westen“ wieder Spannungen entwickelt, die gerade jetzt verstärkte persönliche Kontakte notwendig machen würden, und es muss leider konstatiert werden, dass wir uns derzeit in einer vierten Phase befinden, in der Konfrontation statt Kooperation angesagt ist und unorganisierte direkte Begegnungen fast unmöglich sind. Die DRG Hamburg hat dennoch in den letzten beiden Jahren, also nach Kriegsbeginn, Treffen von NGOs aus Russland, Frankreich, Georgien und Deutschland organisieren können und hält damit an ihrem satzungsmäßigen Ziel fest, durch „Begegnungen zwischen Menschen aller beruflichen und sozialen Schichten des kulturellen, politischen, religiösen, wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Lebens (…) beiderseitiges Verstehen und Vertrauen“ zu fördern. Trotz der augenblicklichen großen Einschränkungen verfolgt die DRG Hamburg weiterhin ihr Anliegen, der Völkerverständigung zu dienen. Wir arbeiten weiter in der Hoffnung und Erwartung, dass direkte Kontakte und freundschaftliche Begegnungen nach dem Ende des Krieges wieder möglich sein werden.
Berndt Wegner, selbst langgedientes Mitglied, hat eine Powerpoint-Präsentation vorbereitet, die in bunter Folge Bilder und Dokumente aus der fünfzigjährigen Geschichte der DRG darbietet und in der auch der 2023 verstorbene Gründer und ehemalige Vorsitzende der DRG, Gerhard Weber, wieder präsent wird.
Bild: St-Petersburg © Tama66 pixabay